fichte-1806

Sechste Vorlesung –  Ueber die akademische Freiheit

Wir wurden am Schlusse der vorigen Vorlesung in der Betrachtung eines Studirenden dem durch die Ansicht seiner Bestimmung als eines göttlichen Gedankens seine eigene Person heilig geworden auf die äußere Sitte desselben geführt. Es hängt mit diesem Gegenstande zusammen ein häufig vorkommender selten aber gehörig durchdachter Begriff; der Begriff von akademischer Freiheit der Studirenden. Zwar liegt sehr vieles von dem was man bei Erörterung dieses Begriffs zu sagen hätte unter der Würde dieser Betrachtungen und erst im Fortgange werden wir ein Mittel finden ihn auf unsern Standtpunkt zu erheben. Ich kann daher nicht nur gern verstatten sondern ich muß sogar bitten, die Erörterung dieses Begriffs die ich heute zu voll ziehen gedenke für eine bloße Episode in dem Ganzen welches ich hier vortrage aufzunehmen. Einen Gegenstand jedoch auf den Man bei einer Betrachtung über das sittliche Verhalten Studirender beinahe unwillkührlich getrieben wird ganz zu übergehen hielt ich um so weniger für zweckmäßig da man gewöhnlich die Berührung desselben scheut und daran ganz wohl thut indem diese so leicht in Polemik oder in Satyre ausarten kann, vor welchen beiden wohl der in diesen Vorlesungen angegebene Ton uns sichern wird. Also was ist akademische Freiheit die Beantwortung dieser Frage ist unsre heutige Aufgabe. – So wie jeder Gegenstand aus einem doppelten Standpunkte angesehen werden kann, theils historisch, theils philosophisch, so kann es auch der unsrer dermaligen Untersuchung. Faßen wir ihn zuerst ans dem historischen Standpunkte d.h. untersuchen wir was diejenigen die zuerst eine akademische Freiheit verstattet und eingeführt haben dabei sich gedacht haben mögen. Akademien sind von jeher gedacht worden als höhere Schulen im Gegensatze mit den Niedern vorbereitenden Schulen oder den eigentlich sogenannten Schulen und so der Studirende auf der Akademie im Gegensatze mit dem Schüler. Die Freiheit des ersten konnte daher nur gedacht werden als Befreiung von einem Zwange unter welchem der letztere stand.  …

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Quelle: Vorlesungen von Johann Gottlieb Fichte, Berlin 1806