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Der Soziologe Rainer Paris berichtete vor wenigen Tagen in der NZZ über die Situation an deutschen Hochschulen im Bezug auf die Wahl der richtigen Ansprache für Studenten jeglichen Geschlechtes. Hierbei rekapituliert er die Anfänge in den Achtzigerjahren, als Studenten begannen, sich selbst als «Studis» zu bezeichnen. Das Ringen der Begrifflichkeiten begann aber weitaus früher. In den Sechzigern waren die Unterschiede zwischen Studierenden und Studenten noch klar definiert. In der ZEIT (ZEIT Nr. 20/1963) kann man hierzu lesen:

Ein Student ist ein Studierender. Daran ist nicht zu zweifeln. Ein Studierender aber ist deswegen noch lange kein Student.

Der feine Unterschied zwischen „Student“ und „Studierender“ besteht trotz aller ministeriellen Verlautbarungen weiter: Ein Student studiert an einer Universität oder Technischen Hochschule, ein Studierender hingegen studiert an einer jener Anstalten, die früher einmal „Höhere Technische Lehranstalt“ oder auch „Maschinenbauschule“ hießen, die dann in „Staatliche Ingenieurschulen“ umbenannt wurden und heute noch so heißen. […]

Über das Studentenleben geben zahlreiche Lieder Auskunft. […] Wenn diese Lieder in ihrer exklusiven Romantik auch nicht mehr so ganz den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werden, so sind sie doch wenigstens da – die „Studierenden“ aber haben keine Lieder.

Nach den selbst-verhaustierlichten Studis kamen weitere Formen (Studenten und Studentinnen, StudentInnen, Student_innen, Studenten*innen, Studentx, …)  auf, doch mittlerweile scheint man sich mit der Partizipform «Studierende» arrangiert zu haben. Viel mehr noch. Ein jeder der sich dieser Sprachregelung verweigert, macht sich verdächtig und angreifbar. Dabei ist diese Regel als solche mehr als angreifbar, unlogisch und bisweilen sogar falsch.  Man schreibt eine Partizip Präsens Form vor, um ein aus dem lateinischen Partizip Präsens studens (Plural: studentes) entlehntes Wort zu verhindern. 

Der Linguist Peter Eisenberg vom Institut für Germanistik an der Universität Potsdam kritisiert in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die vielen unlogischen Eingriffe in unsere Sprache. Studierende, GärtnerInnen, Geflüchtete: Eisenberg hält nichts von grammatischen Kunstformen, um die Genderneutralität zu erzwingen. Ganz im Gegenteil kommt er zu einem niederschmetternden Vergleich.

„Solche Eingriffe in die Sprache sind typisch für autoritäre Regimes, aber nicht für Demokratien.“

Der Schriftsteller Max Goldt hat auch eine klare Meinung zum Thema:

„Studierende: Menschen, die an einer Universität einem Studium nachgehen, heißen Studenten. (..) Wie lächerlich der Begriff ‚Studierende‘ ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: ‚In der Kneipe sitzen biertrinkende Studierende.‘ Oder nach einem Massaker an einer Universität: ‚Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden.‘ Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.“

Nicht-Partizipianer, Studenten und Studentinnen vereinigt euch!

Weiterführendes:

NZZ.de } Studierende? Wer an deutschen Universitäten noch von Studentinnen und Studenten spricht, steht unter Diskriminierungsverdacht. Ob damit aber Diskriminierung verhindert wird, steht auf einem anderen Blatt.

deutschlandfunk } Linguist kritisiert geschlechtergerechte Sprache „Ein Säugling ist nicht dasselbe wie ein Gesäugter“

süddeutsche } Studenten, äh, Studierende

ZEIT campus } Es heißt Stu- denten! dierende!

ZAAR } Studenten statt Studierende