Seit etwas mehr als einem Jahr testet der Tagesspiegel sein Debattenportal Causa. Auch wenn das Portal wohl aus Bescheidenheit oder Vorsicht noch nicht über ein Beta hinaus gekommen ist, erscheinen dort zahlreiche Artikel für die debattierfreudige Leserschaft.
Aktuell stellt Freiheitsphilosoph Prof. Dr. Norbert Bolz seine Gedanken zur „Politischen Korrektheit“ zur Diskussion. Diese decken sich weitesgehend mit den Ideen von Elisabeth Noelle-Neumann unter dem Schlagwort „Schweigespirale“.
Noelle-Neumann: „Öffentliche Meinung ist gegründet auf das Bestreben von in einem Verband lebenden Menschen, zu einem gemeinsamen Urteil zu gelangen, zu einer Übereinstimmung, wie sie erforderlich ist, um zu handeln, und, wenn notwendig, entscheiden zu können. Belohnt wird Konformität, bestraft wird der Verstoß gegen das übereinstimmende Urteil.“
Bolz: „Wenn die veröffentlichte Meinung in unserer Gesellschaft gesprochen hat, bringt kaum mehr jemand den Mut zum Widerspruch auf. Ihr Druck ist so groß, dass gesetzlicher Zwang vielfach überflüssig wird. Und so breitet sich ein ewiger Friede des Intellekts aus. Niemand wagt es, einem unabhängigen Gedankenzug zu folgen. Deshalb gibt es auch keine großen Denker mehr. Abweichende Meinungen, die sich doch noch aus der Deckung wagen, werden sozial bestraft. Wie eh und je ergeht dann das Scherbengericht.“
Andere Debattenteilnehmer halten teils dagegen und stimmen andererseits mit ein. Man könnte meinen das Portal selbst möchte die negativen Folgen einer Schweigespirale durch Debatte überwinden. Spannend und gewinnbringend an Causa ist zudem die Einbindung der Leser, die Verknüpfung der Beiträge und die Beschränkung komplexer Themen aufs Wesentliche. Causa (lat. Grund, Ursache) halt! Bolz resümiert in seinem Beitrag dennoch schlechte Bedingungen für das angebrochene Lutherjahr.
„Schlechte Vorzeichen also für das kommende Lutherjahr. Luther predigte noch spirituelle Freiheit in politischer Knechtschaft; wir haben heute spirituelle Knechtschaft in politischer Freiheit.“
Was Luther heuer predigen, preisen und reformieren würde weiß nur Gott, womöglich wie einst:
„Iß, was gar ist,
trink, was klar ist,
red, was wahr ist.“
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